Die soziale Herkunft hat Einfluss auf die Gründung eines Start-ups. Das zeigt die Studie, an der 1.800 Start-up-Unternehmer/innen aus Deutschland teilgenommen haben. Die Studienergebnisse stellten Bertelsmann Stiftung und Startup-Verband nun beim Study Launch Panel am 7. Mai vor und diskutierten mit Panelisten aus Praxis und Wissenschaft:
- Tijen Onaran, Unternehmerin & Investorin
- Julia Scheerer, Senior Project Manager Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft Bertelsmann Stiftung
- Franziska Teubert, Geschäftsführerin Startup-Verband
- Jannis Gilde, Projektleiter Research Startup-Verband
- Dr. Leif Brändle, Fachgebiet Unternehmensgründungen und Unternehmertum Universität Hohenheim
- Dr. Alexander Hirschfeld, Head of Research German Startup Association
Zum Verständnis der Studie definiert Jannis Gilde, Projektleiter Research Startup-Verband, "Start-ups als Unternehmen im Alter bis zehn Jahren mit Innovations- oder Wachstumsorientierung". Genau genommen "zählen zwei bis drei Prozent aller Unternehmen pro Jahr in die Start-up-Klassifizierung." Im Jahr 2023 gab es in Deutschland knapp 2500 Gründungen. Das Alter im Ökosystem sei vielfältig, was die Lebensläufe der Personen angeht. Eltern seien Vorbilder und stellen zudem wichtige erste Kontakte zu Unternehmer/innen her. Auch bei der Entscheidung zur Gründung spiele der familiäre Hintergrund eine wichtige Rolle. Familiäre Unterstützungsmöglichkeiten wirken sich auf den unternehmerischen Erfolg aus. Jedoch eine die Lust am Unternehmertum Gründer/innen unabhängig vom sozialen Hintergrund.
Start-up-Gründer/innen kommen häufiger aus Akademikerhaushalten
Sechs von zehn Start-up-Gründer/innen stammen aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil über einen akademischen Abschluss verfügt – ein Viertel hat einen unternehmerischen Hintergrund im Elternhaus.
Der familiäre Hintergrund, vor allem der Bildungsgrad der Eltern und ihre berufliche Laufbahn, prägen Start-up-Gründer/innen. Denn Eltern sind Vorbilder, bestärken ihre Kinder zum Gründen und geben ihnen Netzwerke mit.
Start-up-Gründer/innen kommen häufiger aus einem Akademikerhaushalt: Sechs von zehn haben mindestens einen Elternteil mit akademischem Abschluss.
Insgesamt ist der Akademikeranteil bei Eltern von Gründer/innen gegenüber der vergleichbaren Altersgruppe der Gesamtbevölkerung deutlich höher:
53 Prozent der Väter und 38 Prozent der Mütter von Gründer/innen haben einen akademischen Abschluss, wohingegen der Akademikeranteil in der Bevölkerung zwischen 55 und 74 Jahren lediglich bei 21 Prozent (Männer) und 15 Prozent (Frauen) liegt.
Unter den Gründer/innen selbst liegt der Akademikeranteil sogar bei 85 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich mit Blick auf den Beruf der Eltern: Bei 38 Prozent der Gründer/innen war mindestens ein Elternteil selbstständig tätig – 24 Prozent haben sogar Unternehmen mit Angestellten geführt.
„Ein familiärer unternehmerischer Hintergrund ist ein wichtiger Treiber für Start-up-Unternehmer/innen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Hürden für Innovator/innen ohne diesen Zugang ungleich höher sind. Das muss sich ändern."
Julia Scheerer, Wirtschaftsexpertin der Bertelsmann Stiftung
Schieflagen vorhanden – können aber ausgeglichen werden
Unternehmerisch tätige Eltern fungieren mit ihren Netzwerken häufig als Vorbilder und Türöffner. Zwei Drittel der Gründer/innen aus Unternehmerfamilien geben an, dass sie dank ihres familiären Umfeldes Kontakt zu anderen Unternehmer/innen erhalten haben.
So erleben diese schon früh Vorbilder in ihrem Umfeld, während Gründer/innen mit anderem Hintergrund (Beamtentum oder Arbeiterschaft) diese Karriereoption seltener kennenlernen – hier hatten nur 14 Prozent der Befragten über das familiäre Umfeld Kontakt zu Unternehmer/innen. Zudem bestärken Akademiker- und Unternehmereltern ihre Kinder wesentlich häufiger mit Blick auf ihre Gründung.
„Unsere Studie zeigt, wie wichtig Vorbilder, Netzwerke und persönliche Unterstützung für Start-up-Gründer/innen sind. Ganz zentral sind unternehmerische role models – bisher inspirieren häufig die Eltern junge Menschen für eine unternehmerische Laufbahn. Das ist wichtig, aber um unser Potenzial auszuschöpfen, sollten wir Vorbilder in Schulen und Gesellschaft sichtbarer machen. Dann begeistern wir mehr junge Menschen fürs Gründen und schaffen erste Kontaktpunkte“, sagt Franziska Teubert, Geschäftsführerin beim Startup-Verband.
„Soziale Herkunft bedeutet Resilienz auf zwei Beinen. Man muss sich durchkämpfen, einem wird nichts geschenkt. Mut, an mich selbst zu glauben und Selbstvermarktung waren für mich der Aufstieg und führten zur Sichtbarkeit. Und: Wer nicht fragt, hat schon ein Nein kassiert!“
Tijen Onaran, Unternehmerin und Investorin
Potenziale heben – die Start-up-Gründung als Chance
Ein weiterer relevanter Aspekt seien die wirtschaftlichen Ressourcen: 70 Prozent der befragten Gründer/innen, deren Eltern selbst Unternehmer/innen sind, geben an, dass sie sich in schwierigen Situationen auf finanzielle Unterstützung ihrer Eltern verlassen können. Das Gleiche gilt immerhin für 57 Prozent der Gründer/innen mit Beamteneltern.
Bei Kindern aus Arbeiterfamilien beträgt der Wert nur noch 14 Prozent. Zudem habe Gründer/innen mit Unternehmereltern (63 Prozent) häufiger als ihre Pendants aus Arbeiterfamilien (46 Prozent) externes Kapital eingesammelt – und beschäftigen im Mittel etwa doppelt so viele Mitarbeitende.
Doch so unterschiedlich die Startpositionen sind, zeigt sich bei den Befragten auch eine klare Parallele: Unabhängig von der sozialen Herkunft wollen neun von zehn Gründer/innen nach der aktuellen Gründung wieder ein Start-up aufbauen.
Auch beim Thema Mindset und der Bereitschaft, groß zu denken, zeigen sich zwischen den Gruppen kaum Unterschiede.
„Erfolgreiche Start-ups sind also ein Hebel, um mehr Chancengerechtigkeit in der Wirtschaft zu schaffen.“
Julia Scheerer, Wirtschaftsexpertin der Bertelsmann Stiftung
Zusatzinformationen:
Für die Studie „Start-ups und soziale Herkunft – Was Gründer/innen prägt und antreibt“ der Bertelsmann Stiftung und des Startup-Verbands wurden 1.800 Gründer/innen befragt. Der seit 2012 jährlich durchgeführte Start-up Monitor (DSM) wurde hierzu in der Befragungswelle 2023 um Fragen zur sozialen Herkunft ergänzt.