Gerade wurde eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf Basis von OECD-Daten (Stand:2023) veröffentlicht, in der die Arbeitszeit in verschiedenen Ländern weltweit verglichen wurde.
Die zeigt: In Deutschland wird deutlich weniger gearbeitet als in den meisten anderen Ländern.
Stärkerer Anstieg der Arbeitszeit in anderen Ländern
In vielen europäischen Staaten ist im vergangenen Jahrzehnt die Arbeitszeit schneller als in Deutschland gestiegen. So ist z. B. in Spanien die Zahl der Pro-Kopf-Arbeitsstunden (15 bis 64 Jahre) von 2013 bis 2023 um 15 % gewachsen, in Griechenland um 21 %, in Polen sogar um 23 %.
Dagegen stieg in Deutschland die Nutzung des Arbeitskräftepotenzials kaum. Im Vergleich zu 2013 sind die Arbeitsstunden nur um 2 % gewachsen.
Arbeitszeit in Deutschland unter dem internationalen Durchschnitt
Dass die Arbeitszeit in Deutschland unter dem internationalen Durchschnitt liegt, ist ein bekanntes Phänomen, das sich durch mehrere Faktoren erklären lässt.
Hier sind einige der wichtigsten Gründe:
- Teilzeitquote ist sehr hoch
Deutschland hat eine der höchsten Teilzeitquoten in Europa, insbesondere bei Frauen.
So haben im Jahr 2024 haben 29 % der Erwerbstätigen in Deutschland in Teilzeit gearbeitet. Frauen waren dabei mehr als viermal so häufig in Teilzeit tätig wie Männer (Gründe sind z. B. Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen). - Starke Gewerkschaften und entsprechende Tarifverträge
Viele Branchen haben tariflich geregelte Arbeitszeiten, häufig unter 40 Wochenstunden. - Urlaubszeiten und Feiertage
Urlaubstage und Feiertage sind im internationalen Vergleich großzügig (20 bis 30 Urlaubstage, dazu ca. 10 Feiertage). - Work-Life-Balance und Gesellschaftspolitik
Es gibt in Deutschland ein gestiegenes gesellschaftliches Bewusstsein für Balance zwischen Beruf und Privatleben.
Zudem fördern staatliche Angebote wie Elternzeit, Elterngeld oder flexible Arbeitszeitmodelle kürzere Arbeitszeiten. - Demografische Gründe
Ein höherer Anteil älterer Menschen (z. B. Vorruhestand, Minijobs) senkt den Durchschnitt. - Aber auch: Hohe Produktivität
Die deutsche Wirtschaft setzt stark auf Effizienz und Technologie. Weniger Stunden bei hoher Produktivität ermöglichen vergleichbar hohe Wirtschaftsleistung mit weniger Zeitaufwand.
Selbstständige können davon nur träumen
Nicht umsonst sagt man: Selbstständig sein bedeutet nichts anderes als selbst und ständig!
Das Gründen und Betreiben eines Unternehmens ist meistens nicht mit 40 oder weniger Arbeitsstunden in der Woche zu schaffen.
Hier sehen die Zahlen ganz anders aus. So hat z. B. Destatis für das Jahr 2022 festgestellt, dass überlange Arbeitszeiten unter Selbstständigen stark verbreitet sind. So arbeiten 23,3 % der Solo-Selbstständigen mehr als 48 Wochenstunden, von den Selbstständigen mit Beschäftigten waren es 41,8 %.
Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) geht sogar davon aus, dass Selbstständige durchschnittlich 10 bis 15 Stunden pro Woche mehr arbeiten als Angestellte.
Trotz der hohen zeitlichen Belastung gibt es viele Gründer:innen und Selbstständige
Auch trotz der durchschnittlich längere Arbeitszeit entscheiden sich viele Menschen bewusst für die Selbstständigkeit – oder bleiben dabei, weil sie dafür andere Vorteile erhalten.
An erster Stelle steht meistens die größere Freiheit und Selbstbestimmung: Selbstständige können ihre Projekte, Arbeitszeiten und Kunden oft eigenständig wählen. Viele empfinden das als sinnstiftender und erfüllender als eine feste Anstellung.
Auch der Wunsch, eigene Ideen umzusetzen, etwas Eigenes aufzubauen oder flexibel auf Familie und Lebensumstände reagieren zu können, motiviert viele Gründende.
Zudem bietet Selbstständigkeit – trotz Unsicherheiten – die Möglichkeit, sich unabhängig von hierarchischen Strukturen zu entwickeln.
Und nicht zuletzt besteht die auch Chance auf höhere Einkünfte, insbesondere bei spezialisierten Dienstleistungen oder innovativen Geschäftsmodellen.
Diese Faktoren überwiegen für viele die Belastung durch Mehrarbeit oder auch wirtschaftliches Risiko.