Knapp zwei Drittel (64 %) der deutschen Unternehmen sagen, ohne Frauen in IT- und Digitalberufen verspielt die deutsche Wirtschaft ihre Zukunft. Andere Länder sind da nach Ansicht der Unternehmen deutlich weiter:
59 % sehen die deutsche Wirtschaft beim Thema Frauenanteil in Digital- und IT-Berufen international unter den Nachzüglern, weitere 23 % sagen sogar, die deutsche Wirtschaft hat den Anschluss verpasst.
15 % sehen die deutsche Wirtschaft hingegen unter den Vorreitern, nur 1 % an der Spitze.
Das sind Ergebnisse einer Studie des Digitalverbands Bitkom anlässlich des Weltfrauentages am 8. März, für die mehr als 600 Unternehmen aller Branchen repräsentativ befragt wurden.
Anteil von Frauen in IT- und Digitalberufen wesentlich geringer als in der Wirtschaft allgemein
Geht es um den allgemeinen Frauenanteil unter den Beschäftigten deutscher Unternehmen, sind in 64 % der Unternehmen weniger als die Hälfte weiblich. Weitere 19 % haben etwa gleiche Anteile von Frauen und Männern in der Belegschaft. Weitere 15 % mehr Frauen als Männer.
In IT- und Digitalberufen innerhalb der Unternehmen, also zum Beispiel in der IT-Administration oder Softwareentwicklung, aber auch in Abteilungen für digitale Transformation oder Künstliche Intelligenz beschäftigt hingegen keines der repräsentativ befragten Unternehmen (0 %) mehr Frauen als Männer. Im Gegenteil: Mit 94 % sind in fast allen deutschen Unternehmen weniger als die Hälfte der IT- und Digitalstellen weiblich besetzt. In weiteren 4 % ist der Geschlechteranteil in diesen Berufen etwa gleich.
„Frauen bringen neue Perspektiven und andere Erfahrungen in Unternehmen ein. Diese Vielfalt stärkt nicht nur technologische Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Mehr Frauen für IT- und Digitalberufe zu gewinnen, ist auch eine Frage der Teilhabe und gleichberechtigten Mitgestaltung der Digitalisierung“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
Rund ein Drittel der Unternehmen will Frauenanteil in IT- und Digitalberufen erhöhen
Dabei wünscht sich die Wirtschaft durchaus mehr Frauen in diesen Bereichen: Insgesamt 37 % der Unternehmen haben sich interne Ziele gesteckt, um den Frauenanteil speziell in den IT- und Digitalberufen zu erhöhen. Dabei haben 2 % solche Ziele bereits erreicht, weitere 5 % haben konkrete Ziele mit Zeitplan definiert und 30 % haben entsprechende Ziele allgemein gesetzt. Weitere 9 % planen derzeit interne Ziele für mehr Frauen in IT- und Digitalberufen, weitere 13 % diskutieren es.
Andererseits sind solche Ziele für 38 % der Unternehmen kein Thema. Als Gründe, bisher keine Ziele verankert zu haben, geben die meisten dieser Unternehmen an, nicht genügend qualifizierte Bewerberinnen zu haben (68 %) oder andere Prioritäten zu setzen (61 %).
In den Unternehmen gibt es Hürden
Die Gründe, warum der Frauenanteil in den IT- und Digitalberufen nicht höher ist, sind aus Sicht der Wirtschaft vielfältig und oft liegt es auch an den Unternehmen selbst:
59 % der Unternehmen sehen Hürden beim Wiedereinstieg als Grund, wie fehlende Weiterbildungen während der Elternzeit, 53 % traditionelle Rollenbilder in den Unternehmen, 52 % fehlende Netzwerke für Frauen. Gleichzeitig sagt auch die Hälfte (50 %), eine männlich geprägte Kultur in IT- und Digitalberufen schrecke Frauen ab.
So sagen zum Beispiel zwar einerseits über zwei Drittel (69 %) der Unternehmen, IT- und Digitalberufe müssten für Frauen attraktiver werden, andererseits sind aber auch 39 % der Meinung, Männer seien für IT- und Digitalberufe grundsätzlich besser geeignet. „Wer einem solchen Irrglauben nachhängt, muss sich über den Fachkräftemangel nicht wundern. Digitalisierung und IT kennen kein Geschlecht“, so Rohleder. „Frauen sollten sich nicht von Stereotypen aufhalten lassen, sondern die Karrierechancen in diesen Zukunftsberufen bewusst für sich nutzen.“
Auch im Bereich der Politik sowie bei den Frauen selbst werden Gründe verortet
Aber auch im Bereich der Politik sowie bei den Frauen selbst werden Gründe für den geringen Anteil verortet. Die Hälfte (50 %) sieht eine ungenügende Qualifizierung von Bewerberinnen als Grund, 46 % meinen, es läge an der schlechteren Selbstvermarktung von Frauen. Außerdem sehen 55 % der Unternehmen in der mangelnden Betreuungsinfrastruktur einen Grund für den geringen Frauenanteil in IT- und Digitalberufen. 52 % beobachten Hürden beim Quereinstieg, so würden Arbeitsagenturen Frauen zum Beispiel seltener eine IT-spezifische Weiterbildung empfehlen.
Fast jedes zweite Unternehmen (46 %) macht eine klischeebehaftete Ausbildung oder Berufsorientierung an Schulen als Grund aus.
So steht es generell um Frauenförderung in der Wirtschaft
Passend dazu steht auch ganz grundsätzlich und unabhängig von speziellen Fachbereichen oder Berufsgruppen die Mehrheit der deutschen Wirtschaft dem Thema Frauenförderung positiv gegenüber.
So sagen zum Beispiel 88 % der Unternehmen, gemischte Teams aus Männern und Frauen tragen zu einem besseren Betriebsklima bei und wirken sich positiv auf die Unternehmenskultur aus. 81 % sind überzeugt, dass Frauen neue Ideen und andere Sichtweisen ins Unternehmen einbringen. Insgesamt haben 52 % der deutschen Unternehmen derzeit Ziele verankert, um den Frauenanteil in ihrer Belegschaft zu erhöhen. Ziele bedeuten aber nicht immer auch feste Zuständigkeiten: In insgesamt 39 % der Unternehmen ist bisher niemand benannt worden, der für dieses Thema zuständig ist.
Zudem herrscht in vielen Unternehmen noch Skepsis, was die Frauenförderung angeht: Rund ein Drittel (36 %) der Unternehmen sagt, Frauenförderung sei häufig nur vorgeschoben, in der Praxis solle sich im Unternehmen gar nichts ändern. Laut 23 % ist Frauenförderung nicht mehr notwendig und 17 % halten Frauenförderung nur für einen Trend, der bald vorübergehen wird.
„Wer Gleichstellung und Frauenförderung nur als kurzfristigen Hype versteht, verkennt nicht nur das eigentliche Problem, sondern schadet dem eigenen Unternehmen. Langfristiger Erfolg – wirtschaftlich wie gesellschaftlich – erfordert echte Veränderung“, so Rohleder.
Weitere Zahlen rund um Frauen in der Digitalisierung
- 30 % Frauenanteil in der IT-Branche (Quelle: Berechnung auf Basis von Daten des StBA, der BNetzA und der BA 2024)
- 18 % Frauenanteil unter IT-Fachkräften (Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2024)
- 21 % Frauenanteil im Informatikstudium (Anteil in interdisziplinären Studiengängen deutlich höher, z. B. 44 % in Medizininformatik oder 37 % in der Bioinformatik) (Quelle: GENESIS Online, Statistisches Bundesamt 2023)
- 12 % Frauenanteil in IT-Ausbildungen (Quelle: Ausbildungsmarktstatistik, Bundesagentur für Arbeit 2024)
Quelle und mehr: Bitkom