Home-Office: Rückforderung Gehalt wegen fehlender Arbeitsleistung

Unternehmen, die das Arbeiten im Home-Office ermöglichen, haben natürlich Interesse daran, dass dieArbeitsaufgaben tatsächlich erledigt werden.

Zuletzt aktualisiert: 10.04.2024

Wenn es Zweifel an der Arbeitserbringung im Homeoffice gibt

Es kommt aber nicht selten vor, dass Unternehmen dies bezweifeln müssen, weil der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin im Home-Office z. B. mehrmals nicht erreichbar sind oder nicht die gewünschten Arbeitsergebnisse erbringen.
Dann stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber:innnen berechtigt sind, das Gehalt für die Nichterbringung der Arbeitsleistung zu kürzen oder zurückzufordern.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern

Mit dieser Frage musste sich auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern befassen.
Mit Urteil vom 28.09.2023 (Az. 5 Sa 14/23) hat das Gericht entschieden, dass der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin ganz oder teilweise entfallen kann, wenn dieser seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen (z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) fortzuzahlen.
Allerdings trägt auch bei einer Arbeitsleistung im Home-Office das Unternehmen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und in welchem Umfang die Arbeitnehmer:innen ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben.

- Zum Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war die Klägerin als Pflegemanagerin und leitende Pflegekraft bei der Beklagten angestellt.
Ihr war gestattet, auch im Homeoffice zu arbeiten. Ihre Zeiterfassung für Januar 2022 wies insgesamt 166:15 Stunden aus, von denen 107:45 Stunden auf das Home-Office entfielen. Im Februar 2022 entfielen von insgesamt 167:45 Stunden 60:15 auf die Tätigkeit im Home-Office.

Die Beklagte forderte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rückzahlung des Bruttolohns für insgesamt 300,75 Arbeitsstunden im Home-Office und rechnete mit offenen Lohnansprüchen auf.
Sie war der Auffassung, dass die Klägerin keine objektivierbaren Arbeitsnachweise für die angegebenen 300,75 Arbeitsstunden angeben könne. Ein Organisationshandbuch habe sie nicht fertiggestellt.

Die Klägerin hingegen vertrat die Auffassung, dass kein Anspruch auf Rückzahlung bestehe, weil sie ihre Arbeitsleistung sehr wohl erbracht habe. Dies ergebe sich aus dem E-Mail-Verkehr. Ferner habe sie auch Pflegedienste und Hauswirtschaftstätigkeiten ausgeführt.

- Entscheidung und Begründung

Das LAG hat zugunsten der klagenden Arbeitnehmerin entschieden. Zur Begründung führt es aus, dass sich die Gehaltszahlungen auch für Arbeitszeiten im Home-Office aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Vergütungsanspruch ergeben (§ 611a Abs. 2 BGB). Kommen die Arbeitnehmer:innen ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nach, entfällt der Vergütungsanspruch („Ohne Arbeit kein Lohn“).
Die Arbeitgeberin trage aber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und in welchem Umfang die Arbeitnehmerin ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt hat – auch im Home-Office. Die Beklagte konnte im vorliegenden Fall schon nicht darlegen, in welchem Umfang die Klägerin im Home-Office ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleistung erbracht hat.
Es gilt: Unerheblich ist, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt. Arbeitnehmer:innen genügen ihrer Leistungspflicht, wenn sie unter angemessener Ausschöpfung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten.

Fazit

Die Entscheidung führt einmal mehr vor Augen, wie hoch die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für Arbeitgeber:innen sind, wenn das Gehalt gekürzt oder zurückgefordert werden soll. 
Dass sich für die Unternehmen in solchen Fällen der Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs aufdrängt und der Nachweis eines solchen vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kaum zu erbringen ist, wenn zumindest wenig, aber gleichzeitig dokumentiert gearbeitet wird, liegt auf der Hand.
Strategisch haben Unternehmen in solchen Fällen der sogenannten Low Performance gleichwohl die Möglichkeit, durch langfristige Dokumentation der Arbeitsergebnisse und des Ausspruchs von
Abmahnungen eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung vorzubereiten.