Die deutschen Unternehmen müssen noch größere Anstrengungen unternehmen, um den Datenschutz umzusetzen.
Das und mehr sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland.
Einige konkrete Ergebnisse der Befragung zum Datenschutz
- In rund zwei Drittel (63 %) hat der Datenschutz zugenommen, bei 36 % ist er gleichgeblieben – und nirgendwo zurückgegangen.
- 9 von 10 Unternehmen (94 %) bezeichnen den aktuellen Aufwand als hoch.
- Zugleich sind in rund zwei Drittel (63 %) der Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten innovative Projekte aufgrund von Datenschutz-Vorgaben gescheitert oder gar nicht erst angegangen worden.
- 70 % warnen, dass der Datenschutz die Digitalisierung in Deutschland hemmt, 63 % sehen das konkret für gesellschaftlich relevante Projekte wie etwa den Einsatz digitaler Technologien in Schulen.
- Und 64 % stellen fest: Wir übertreiben es mit dem Datenschutz in Deutschland.
„Der Schutz persönlicher Daten gehört unverrückbar zu unserem Wertesystem und unserer Demokratie in Deutschland und Europa. Bei der Umsetzung und Auslegung müssen wir aber nachsteuern, damit der Datenschutz praxistauglich bleibt“, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. „Beim Datenschutz brauchen wir dringend mehr Klarheit, Nachvollziehbarkeit und Einheitlichkeit. Das wäre ein Förderprogramm für die Unternehmen, das kein Geld benötigt, sondern nur politischen Willen.“
DS-GVO: Umsetzung weit fortgeschritten, aber die Sorgen bleiben
Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) sorgt auch nach sechs Jahren in den Unternehmen für Unzufriedenheit. Inzwischen haben 7 von 10 Unternehmen die DS-GVO vollständig (23 %) oder größtenteils (48 %) umgesetzt, weitere 28 % zumindest teilweise.
Allerdings führt sie in den Unternehmen weiterhin zu steigendem Aufwand:
- 42 % der Unternehmen haben seit der Einführung mehr Aufwand und gehen davon aus, dass er weiter steigen wird, vor einem Jahr waren es nur 33 %.
- Weitere 42 % haben seit der Einführung mehr Aufwand und rechnen damit, dass dieser unverändert bleibt (2023: 50 %).
- Gerade einmal bei 15 % nimmt der zusätzliche Aufwand zusehends ab (2023: 12 %), nur 1 % hat gar keinen gestiegenen Aufwand registriert.
Der hohe Aufwand liegt auch daran, dass die Umsetzung in 84 % der Unternehmen als nie vollständig abgeschlossen gilt:
- 80 % beklagen, dass das Ausrollen neuer Tools immer neue Datenschutz-Prüfungen in Gang setzt.
- Und auch nach sechs Jahren leiden drei Viertel (76 %) unter Rechtsunsicherheit was die genauen Vorgaben der DS-GVO betrifft.
- 61 % kritisieren die insgesamt zu hohen Anforderungen der EU-Regeln, 56 % die uneinheitliche Auslegung in der EU.
Aber auch in den Unternehmen selbst gibt es Herausforderungen bei der DS-GVO-Umsetzung. So kosten bei 56 % erforderliche IT- und Systemumstellungen viel Zeit, 53 % tun sich schwer damit, den Beschäftigten die komplexen Anforderungen verständlich zu machen. Jeweils rund einem Drittel fehlt es am Geld (34 %) bzw. an qualifizierten Beschäftigten (32 %).
Bei einer DS-GVO-Bilanz überwiegen kritische Einschätzungen:
- Für 77 % macht die DS-GVO die eigenen Geschäftsprozesse komplizierter.
- 64 % meinen, dass die Datenschutzbehörden in Deutschland die DS-GVO zu streng anwenden.
- Fast ebenso viele (62 %) finden aber auch, dass deutsche Unternehmen beim Datenschutz überziehen, weil sie Angst haben, gegen die DS-GVO zu verstoßen.
- 53 % halten die DS-GVO schlicht für einen Standortnachteil.
- 49 % sehen, dass Innovationen aus anderen Regionen aufgrund der Datenschutz-Regeln nicht in der EU genutzt werden können.
Auf der anderen Seite heben 70 % hervor, dass sich durch die DS-GVO die Datensicherheit im eigenen Unternehmen verbessert hat, 48 % sehen durch sie einheitlichere Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU. Zwei Drittel der Unternehmen (63 %) kommen zum Schluss: Die DS-GVO muss gelockert werden.
Künstliche Intelligenz als Hilfe beim Datenschutz
Angesichts des hohen Aufwands zieht fast die Hälfte der Unternehmen (48 %) den Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Datenschutz in Betracht. Dabei geht es zum Beispiel um Chatbots für die Beschäftigten, um Datenschutzfragen schnell zu erklären, oder auch um das Erkennen von Datenschutzverstößen durch eine KI oder die automatisierte Anonymisierung oder Pseudonymisierung von Daten. 5 % nutzen solche KI-Anwendungen bereits, 24 % haben den Einsatz bereits geplant. Und weitere 19 % diskutieren noch darüber. Auf der anderen Seite ist KI als Unterstützung beim Datenschutz für 46 % aktuell kein Thema.
68 % sind der Meinung, dass der Einsatz von KI in den Unternehmen den Datenschutz vor ganz neue Herausforderungen stellt:
- Für 53 % schafft der Datenschutz Rechtssicherheit bei der Entwicklung von KI-Anwendungen.
- 52 % sagen mit Blick auf das eigene Unternehmen, dass der Datenschutz den KI-Einsatz behindert.
- 57 % befürchten, der Datenschutz sorge dafür, dass die Anwendung von KI in der EU eingeschränkt wird.
- 52 % gehen sogar davon aus, dass der Datenschutz Unternehmen aus der EU vertreibt, die KI entwickeln. Ein Grund dafür: Für 50 % erschwert der Datenschutz, dass KI-Modelle mit genügend Daten trainiert werden.
„Künstliche Intelligenz kann einen Beitrag zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen leisten. Wir müssen den Datenschutz so ausgestalten, dass er persönliche Daten vor unberechtigtem Zugriff von KI-Modellen schützt, zugleich aber die Entwicklung und Nutzung von KI in Deutschland und Europa fördert“, so Dehmel. „Künstliche Intelligenz braucht verständliche und handhabbare Regeln, wir dürfen die Fehler der Datenschutz-Grundverordnung aus den vergangenen Jahren beim AI Act und Data Act nicht wiederholen.“
Wunsch nach Handeln der Politik
Vor dem anstehenden Wahljahr erwarten sich die Unternehmen mit Blick auf den Datenschutz vor allem drei Dinge von der Bundesregierung:
- Die Zusammenführung der vielen Sonder- und Spezialvorschriften zu Datenschutz und Datennutzung (91 %),
- europäisch stärker vereinheitlichte Datenschutzvorgaben (87 %) sowie
- die Reduzierung des bürokratischen Aufwands bei Datenschutzvorfällen (79 %).
„Wir brauchen beim Datenschutz Einfachheit und Klarheit. Der Datenschutz hat tiefgreifende Auswirkungen auf Unternehmen ebenso wie auf die Gesellschaft, deshalb muss er verständlich und praxistauglich gemacht werden“, so Dehmel.
66 % wollen föderale Gesetze im Datenschutz angleichen, 65 % einfacher verständliche Datenschutzvorgaben und 61 % eine praxistaugliche Reform der DS-GVO. Rund zwei Drittel (64 %) wünschen sich eine politische Lösung für internationale Datentransfers. 67 % wünschen einen besseren Zugang zu Daten der öffentlichen Hand für Unternehmen.
Quelle und mehr: Pressemitteilung Bitkom