Unternehmercoach Stefan Merath kennt alle Facetten des Unternehmerseins, vom Gründen bis zur Insolvenz. Heute begleitet er mit seinem Wissen und seiner Erfahrung Menschen auf dem Weg zu persönlichem und beruflichem Erfolg. Im Interview spricht er darüber, warum scheitern gut ist, wie man als Unternehmer über die ersten Hürden kommt und warum Businesspläne oft für den Papierkorb sind.
Herr Merath, was müssen Gründer tun, um langfristig zu wachsen?
Scheitern! Ob Sir Richard Branson oder Elon Musk – ihre ersten Gehversuche als Unternehmer funktionierten nicht richtig. Aber das ist die Regel, nicht die Ausnahme. Viel wichtiger ist deshalb, dass Gründer aus jedem Scheitern lernen und sich immer wieder dieselbe Frage stellen: Zu welcher Art von Unternehmer will ich werden? Ich hätte mir bei meiner ersten Firmengründung gewünscht, einen erfahrenen Unternehmer an meiner Seite zu haben. So habe ich jeden Fehler selbst gemacht.
Heute weiß ich: Zum Scheitern gehört auch, dass man in der Lage sein muss, danach wieder aufzustehen – ein Unternehmercoach hätte mir das von vorneherein gesagt. Gründer sollten schon beim ersten Unternehmen genügend Reserven für den zweiten Versuch haben. Das setzt voraus, dass man vor der ersten Gründung seinen Einsatz an Geld und Zeit klar limitiert.
Hilft ein gut ausgearbeiteter Businessplan, das Risiko zu begrenzen?
Als ich 1997 meine erste Firma gegründet habe, dachte ich mir, okay, fang einfach mal an. Ich war gut darin, Websites zu programmieren. Also habe ich Websites an Firmen verkauft. Die Leute haben auf meine Werbung aber nicht reagiert, weil sie nicht wussten, was eine Website überhaupt ist. Das hätte ich auch mit einem Businessplan nicht voraussehen können. Ich telefonierte also den Leuten hinterher und mit jedem Auftrag habe ich ein wenig mehr darüber gelernt, was Kunden wichtig ist. Auch aus dieser Sicht wäre ein Businessplan höchstens noch für den Papierkorb gut gewesen.
Also haben sie noch nie einen Business-Plan gemacht?
Doch. Nach drei Jahren. Weil das Voraussetzung war, um Venture Capital zu bekommen. Ich habe mir dafür einen externen Berater gesucht. Der konnte zwar die Texte für den Businessplan schreiben, hatte aber keine Ahnung von Unternehmensführung und konnte auch nicht rechnen. Trotzdem ist es mir gelungen, mit diesem Plan Investoren zu gewinnen. Allerdings stimmten in der Extremphase des Scheiterns die Zahlen nicht mit der Realität überein und ich musste jede Woche einen neuen Plan machen. Businesspläne machen aus meiner Sicht nur Sinn, wenn ich auf Erfahrungen zurückgreifen kann, beispielsweise bei Franchise-Konzepten. Komme ich aber auf die Idee, was ganz Neues zu starten, kann ich nur raten: Plane nur das wenige Offensichtliche. Und dann fang einfach an. Trete möglichst früh in Kontakt mit den Kunden, sammle Feedback. Detaillierte Pläne kannst du hinterher immer noch machen.
Welche Fehler tauchen ihrer Erfahrung nach häufig in der ersten Gründungsphase auf?
Selbstverliebtheit, Unwissen und Selbstüberschätzung. Ich kann das so sagen, weil ich diese Fehler selbst gemacht habe. In der ersten Phase geht es um den Weg des Produkts in den Markt. Gerade technische Erfinder sind oft unglaublich in ihre Idee verliebt und investieren viel Zeit, ehe sie damit an Kunden herantreten. Umgekehrt wäre es besser: Geh zum Kunden, bevor du das Produkt überhaupt hast, und entwickle dann nach dem Bedarf des Kunden, nicht danach, was du schick oder toll findest.
Wenn das Ding wächst, dann machen so gut wie alle Gründer den zweiten Fehler: Sie machen weiterhin Fachkraftaufgaben. Wer vorher zum Beispiel Programmierer war, sollte das jetzt nicht mehr sein. Denn nun muss er sich Gedanken machen über Strategie, die Art der Führung, die Kultur im Unternehmen und all solche Dinge. Das haben die meisten Gründer nicht auf dem Schirm. Sie machen weiter und weiter – und gehen mit ihren Firmen baden.
Und welches ist der dritte Fehler?
Auch den kenne ich aus meiner ersten Internetfirma. Ich war überzeugt, ein toller Unternehmer zu sein. Ich hatte 30 Mitarbeiter, wusste alles, konnte alles. Berater hielt ich für Dödel. Das mit den Beratern stimmt oft. Aber der Austausch mit anderen Unternehmern, wovon zumindest ein Teil weiter sein sollte als man selbst, bewahrt einen vor vielen Irrwegen. Man ist blöd, wenn man die Erfahrung Dritter nicht nutzt, um sich selbst weiterzuentwickeln. Ich war sechseinhalb Jahre lang blöd. Dann musste ich Insolvenz anmelden und wurde zur Klugheit geprügelt.
Sie betonen immer, wie wichtig das Umfeld für den persönlichen Erfolg ist. Welche Art von Umfeld würden sie Gründern empfehlen?
Auf keinen Fall so etwas wie Branchenverbände, BDI, IHK-Treffen und so weiter. Da trommeln sich alle auf die Brust und erzählen sich gegenseitig, wie toll sie sind. Um weiterzukommen, braucht es etwas anderes: eine Lernumgebung, in der ich auch mal offen erzählen kann, dass es bei mir gerade gar nicht läuft! Solche Lernumgebungen sind für mich Braintrusts, Seminare oder beispielsweise auch das Unternehmercoach-Konzept des Schwarzgurtunternehmers. Wie im Kampfsport ein Schwarzgurt bestimmte Tritte und Techniken beherrschen muss, muss ein Unternehmer strategische Kompetenzen haben, er braucht Führungskompetenzen und Kompetenz im Umgang mit sich selbst und seinen Ängsten.
Gehen Gründer ihrer Erfahrung nach zu naiv an die Planung ran?
Ich halte diese naive Phase nicht nur für notwendig, sondern auch für eine wichtige Gelegenheit, um zu lernen. Wenn plötzlich etwas länger dauert als geplant, entstehen schnell Zweifel oder Ängste. Und dann bin ich gezwungen, mit meinen Ängsten umzugehen, beispielsweise mit der Angst vor dem Markeintritt. Dadurch werde ich stärker und bin dann vorbereitet auf größere Herausforderungen wie die Aufnahme eines Millionen-Kredits. Kurz gesagt: Es ist gut, wenn der Plan nicht funktioniert – zumindest, solange man bereit ist, daraus zu lernen, und zwar etwas über den Plan und noch mehr über sich selbst.
Die Zeiten ändern sich derzeit rasant. Wie allgemeingültig sind gängige Strategien für ein junges Unternehmen?
Wenn gängige Strategie bedeutet, mach einen Businessplan und setz den um, dann würde ich sagen, das war auch schon vor 25 Jahren Schwachsinn. Wichtig ist: Man muss sich einfach mindestens so schnell entwickeln, wie sich der Markt entwickelt, mit welcher Strategie auch immer. Es geht also um Veränderungsgeschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit. Deswegen würde ich aktuell auf eine agile Strategie setzen und so schnell wie möglich zu den Kunden gehen, um so schnell wie möglich zu lernen, was die genau wollen – und das dann immer wieder anpassen. Mit der Zeit entsteht so eine klare Idee von dem, was man da tut. Für den Kern meiner Unternehmercoach-Strategie zum Beispiel habe ich drei Jahre gebraucht.
Gibt es Branchen, die besonders resistent gegen den Wandel sind?
Klar gibt es die. Fragt sich nur, wie lange sie tatsächlich resistent sind, bevor sie irgendwann dann doch hopsgehen. Als ich für meine erste Firma Investoren gefunden hatte, wollte ich im Jahr 2001 über die Dresdner Bank einen Kredit aufnehmen. Aber die tat sich schwer. Sie sagte: Wir wissen ja gar nicht, ob sie in ein paar Jahren noch da sind. Dass die Dresdner Bank während der Bankenkrise 2008 selbst über den Jordan gegangen ist, fand ich rückblickend sehr lustig. An dem Beispiel sieht man: Keine Branche ist superresistent. Denn auch die Unternehmen, die glauben, sie würden für immer existieren, können irgendwann sterben. Oder um es mit den Worten eines mir bekannten, sehr guten Unternehmers zu sagen: "Wenn der liebe Gott einen Unternehmer richtig bestrafen will, dann schickt er ihm sieben Jahre Erfolg."
Zur Person:
Der gebürtige Stuttgarter Stefan Merath ist Schwarzgurtunternehmer, Fachbuchautor und Mentor. Mit seiner Unternehmercoach GmbH begleitet er seit 15 Jahren Gründer und Unternehmer auf dem Weg zum Erfolg. Alle Infos zu Stefan Merath, seinen Büchern und Coachingangeboten unter:
www.unternehmercoach.com