Der Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland".
Ein detaillierte Einschätzung zu den Inhalten und den Erfolgsaussichten für die deutsche Wirtschaft ist jetzt natürlich noch nicht zu finden.
Aber nachfolgend findet ihr einige erste Meinungen wirtschaftsnaher Einrichtungen und Verbände in ihren Pressemitteilungen.
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
In einer ersten Einschätzung erklärte BDA-Präsident Dr. Rainer Dulger:
„Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich Union und SPD schnell auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. Deutschland ist wieder auf dem Platz. Diese Geschwindigkeit brauchen wir auch im Regierungshandeln. Deutschland muss schneller, besser und wettbewerbsfähiger werden. Die Herausforderungen sind groß – wirtschaftlich und geopolitisch. Wir haben jetzt die Grundlage für eine handlungsfähige Regierung. Jetzt muss sie auch handeln: Alle Ansätze für Reformen müssen zügig angegangen werden. Die Arbeit an der Wirtschaftswende duldet keinen Aufschub. Wir brauchen eine Standortrenovierung mit Tempo. Die Arbeitgeber begrüßen die Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes. Die neuen geopolitischen Herausforderungen erfordern ein robustes Auftreten. Richtig ist auch, dass Energiepreise und Steuern für die Unternehmen gesenkt, ein Investitions-Booster in Form einer degressiven Abschreibung eingeführt und die Bürokratie massiv abgebaut werden sollen. Dass das Lieferkettengesetz abgeschafft werden soll, ist eine großartige Nachricht. Das sind richtige Schritte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und zur Sicherung der Beschäftigung in Deutschland. Erhebliche Sorgen bereitet uns, dass diese Koalition keine Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen anpackt. Die Folge wird sein, dass die Sozialbeiträge weiter steigen. Damit werden die Beschäftigten in den kommenden Jahren weniger Netto vom Brutto in der Brieftasche haben. Steigende Beiträge sind eine Strafsteuer auf Arbeit. Sich zur Mindestlohnkommission zu bekennen und im gleichen Atemzug Vorgaben für den Mindestlohn zu benennen, ist doppelzüngig: Jede politische Einmischung ist ein Angriff auf die Tarifautonomie und richtet sich gegen die vom Grundgesetz geschützte Sozialpartnerschaft. Der Koalition muss klar sein, dass man eine Legislaturperiode nicht in einen Vertrag pressen kann. Allein in den wenigen Wochen der Verhandlungen hat sich die Welt derart verändert, dass völlig neue Herausforderungen auf dem Tisch liegen. Wir erwarten daher Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Der Koalitionsvertrag muss neu verhandelt werden, wenn sich die Umstände ändern.“
IW Köln
Zu den Ergebnissen äußert sich der Direktor des IW Köln, Michael Hüther, wie folgt:
„Ein Koalitionsvertrag mit echten Fortschritten – und Baustellen. Auf der Habenseite findet sich mehr Gutes als man sich vor Wochen erhoffen konnte. Eine schwieriger Wahlabend, eine Wirtschaft, die tief in der Krise steckt und ein immer erratischer agierender US-Präsident: Angesichts der schwierigen Ausgangslage ist es bemerkenswert, wie sich Union und SPD erst aus dem Finanzschlamassel befreit haben und nun ein durchaus vorzeigbares Ergebnis vorgelegt haben.
Für die Unternehmen wohnt dem Koalitionsvertrag manch Hoffnung inne: Die Superabschreibung ist ein wirksames Mittel, um Investitionen zu hebeln. Die Unternehmenssteuerlast soll in fünf Schritten ab dem Jahr 2028 gesenkt werden. Mehr Tempo wäre wünschenswert, aber schon der geplante Kurs ist ein Schritt in die richtige Richtung. Unverständlich bleibt hingegen, warum der Soli weiterhin bestehen bleibt. Er ist mittlerweile zu einer verkappten Unternehmensteuer geworden, die Mittelverwendung ist völlig unklar.
Das angekündigte Strompreispaket signalisiert in Zeiten handelspolitischer Verwerfungen eine nötige Entlastung. Gleiches gilt für die Idee, schnellere Arbeitsgenehmigungen zu erteilen – beides ist wichtig, um die immensen Infrastrukturvorhaben der kommenden Jahre zu stemmen.
Bei der Bürokratie stimmt zumindest die Rhetorik – eine Staatsmodernisierung hat bisher noch jede Koalition versprochen. Entscheidend wird die Umsetzung: Dass das Lieferkettengesetz entfallen soll, zeigt, dass Union und SPD es dieses Mal ernst meinen könnten.
In vielen Punkten bleiben Friedrich Merz und seine Koalitionäre aber Antworten schuldig. In puncto Rente etwa klingt vieles nach einem „Weiter so“, ein fatales Signal an die junge Generation – als gäbe es die demografische Krise nicht. Außerdem sind an vielen Stellen die doch harten Konfliktlinien von Union und SPD herauszulesen, etwa beim sehr kurzen und schwammigen Kapitel zur Einkommensteuer. Wie gut die Regierung in den ersten Wochen bis Monaten abschneidet, wird sich am pragmatischen Handeln in einem höchst unsicheren globalen Umfeld erweisen müssen.“
(Auch interessant: Wie die IW-Wissenschaft den neuen Koalitionsvertrag einschätzt)
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Tanja Gönner, BDI-Hauptgeschäftsführerin, erklärt zum Koalitionsvertrag:
„Mit dem zügigen Abschluss der Verhandlungen sind Union und SPD dem Ernst der Lage und den Erwartungen der Wirtschaft gerecht geworden. Deutschland braucht jetzt schnell eine handlungsfähige Regierung. Ansätze für dringend notwendige, entschlossene Strukturreformen sind in dem Koalitionsvertrag vorhanden, eine rasche Umsetzung ist nun entscheidend.
Alles, was Wachstum stärkt, gehört auf der Prioritätenliste für diese Legislatur ganz nach vorne. Die neue Koalition muss für eine Wirtschaftswende stehen. Der Koalitionsvertrag setzt wichtige Signale für Investitionen und Wachstum am Standort: mit Impulsen für Innovation, einem kräftigen Anstieg der Infrastrukturinvestitionen, einer spürbaren Entlastung bei den Energiekosten und einer angemessenen Fortführung wesentlicher Programme zur Transformation der Wirtschaft.
Die steuerliche Entlastung der Unternehmen kommt allerdings deutlich später als notwendig wäre. Die kurzfristige, konkrete Entlastung von Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten von zu hohen Energiekosten ist wichtig und richtig. Was bislang fehlt, ist ein Gesamtkonzept aus not-wendigen strukturellen und mutigen Maßnahmen, die langfristig für international wettbewerbs-fähige Energiepreise sorgen. Hier muss die Regierung in der Umsetzung zeigen, dass sie es mit mehr Effizienz und damit niedrigeren Kosten in der Energiewende ernst meint. Dass auch negative Emissionen und außereuropäische CO2-Minderungsanstrengungen für die Klima-ziele angerechnet werden sollen, ist ein starkes Signal für eine flexiblere und international anschlussfähigere EU-Klimapolitik. Steuerpolitisch bleibt die Koalition hinter dem Notwendigen zurück. Die verbesserten Abschreibungen in Ausrüstungsinvestitionen und die angekündigte schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer sind zwar positiv, aber weder im Umfang noch vom Zeitplan geeignet, schnelle und umfassende Impulse auszulösen. Hier muss jeder Spiel-raum künftig genutzt werden, um Unternehmen zusätzlich zu entlasten, damit die Steuerbelastung schnell international wettbewerbsfähig wird.“
Startup-Verband
Wichtige Startup-Impulse sieht Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands:
„Der Koalitionsvertrag setzt wichtige Impulse für einen wirtschaftlichen Aufbruch und hebt das Potenzial von Startups als Innovationsmotoren unserer Wirtschaft hervor. Positiv ist, dass ein ganzheitlicher Blick auf das Startup-Ökosystem erkennbar ist – von Finanzierung über Bürokratieabbau bis hin zu Talenten und technologischer Souveränität. Entscheidend ist jetzt, dass die vielen sinnvollen Maßnahmen in eine konsistente, umsetzungsorientierte Startup- und Innovationspolitik münden.
Vielversprechend sind die geplanten Schritte zur stärkeren Mobilisierung privaten Kapitals und zur Öffnung institutioneller Investoren für Wagniskapital. Die Verdopplung der WIN-Initiative auf über 25 Milliarden Euro und die Verstetigung des Zukunftsfonds bis 2030 sind starke Signale.
Auch bei Entbürokratisierung, Digitalisierung und Talentgewinnung sehen wir ambitionierte Vorhaben – vom One-Stop-Shop über flexiblere Arbeitszeiten, die 24-Stunden-Unternehmensgründung und gezielte DeepTech-Förderung bis hin zu besseren Bedingungen für internationale Fachkräfte und selbstständige Mütter. Das sind zentrale Weichenstellungen für ein zukunftsfähiges Startup-Ökosystem.
Jetzt kommt es darauf an, diese Vorhaben mit Tempo und Entschlossenheit umzusetzen. Denn gerade in einer Zeit globaler Unsicherheit braucht es ein klares Signal: Deutschland setzt auf Innovation, Unternehmertum und wirtschaftliche Erneuerung.“
Quelle: Pressemitteilungen